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Wie verformen sich Rotorblätter bei Windböen?

Erste Messungen im Oldenburger Windkanal

Versuchsaufbau im turbulenten Windkanal mit Modellwindturbine (Rotordurchmesser 1,8 Meter) und Laser (Foto: J. Puczylowski, ForWind)
Versuchsaufbau im turbulenten Windkanal mit Modellwindturbine (Rotordurchmesser 1,8 Meter) und Laser (Foto: J. Puczylowski, ForWind)

Wie sich Windkraftanlagen bei Turbulenzen verformen, untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Jade Hochschule, der Universität Oldenburg und der Hochschule Emden/Leer derzeit in dem Forschungsprojekt TurbuMetric. „Ziel unseres Projekts ist es, Messverfahren zu entwickeln, die die Deformation der Rotorblätter bei gleichzeitiger Messung des Windfeldes abbilden“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Thomas Luhmann von der Jade Hochschule. „Mit diesem Wissen lassen sich Maßnahmen zur Reduktion der Lasten ableiten, was die Lebensdauer der Rotorblätter verlängert, oder auch neue Rotorblätter designen, die auch in turbulenten Strömungen gut funktionieren.“ Über das Verhalten von Rotorblättern bei normalem Wind gebe es bereits Erkenntnisse, jedoch noch keine geeigneten Messverfahren des Verhaltens bei extremen Böen.

Erste Messungen im Windkanal

Erste experimentelle Versuche führten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jetzt im großen Windkanal des Zentrums für Windenergieforschung (ForWind) am Institut für Physik der Universität Oldenburg durch. Durch das in seinen Abmessungen und Eigenschaften einzigartige Forschungsgroßgerät können Turbulenzen kontrolliert erzeugt und dadurch realitätsnahe Windfelder und ihr Zusammenwirken mit Windenergieanlagen untersucht werden. Die Untersuchungen werden an einer Modellwindanlage mit 90 Zentimeter langen Rotorblättern durchgeführt – etwa 70 mal kleiner als in der Realität. Die Blätter drehen sich mit 600 Rotationen pro Minute, sodass die Blattspitze eine Geschwindigkeit von 57 Meter pro Sekunde erreicht. „Wir müssen daher ein höchst dynamisches Messverfahren entwickeln, das die ganze Fläche des Rotorblattes erfasst und berührungslos funktoniert, sodass die Messungen nicht verfälscht werden“, erklärt Luhmann.

Winzige Partikel sichtbar machen und erfassen

Um die turbulente Strömung und die Verformung der Rotorblätter gleichzeitig erfassen zu können, werden im Forschungsprojekt TurbuMetric zwei Verfahren kombiniert: die PIV-Messmethode und photogrammetrische Messungen.

Mit der Particle-Image-Velocimetry (PIV)-Methode macht ein Laser winzige, der Luft zugesetzte Partikel sichtbar und High-Speed-Kameras erfassen die Bewegungen der Partikelströme. Die vorbeiströmenden Partikel eines ganzen Strömungsfeldes werden fotografiert und aus der Änderung ihrer Positionen von einem Bild zum nächsten werden Strömungsrichtung und -geschwindigkeit berechnet. Die Kameras machen dabei jeweils bis zu 12.000 Bilder pro Sekunde, wodurch die Ergebnisse eine sehr hohe zeitliche und räumliche Auflösung gewinnen. „Von besonderem Interesse ist, wann und wie die Strömung vom rotierenden Blatt abreißt und welche Windsituationen zu den größten Schlägen und damit zu den größten dynamischen Lasten auf die Komponenten der Windenergieanlage führen“, erklärt Teilprojektleiter Dr. Gerd Gülker von ForWind.

Kombiniert wird das PIV-Verfahren mit photogrammetrischen Messungen. Vier Highspeed-Kameras beobachten das gesamte Windrad und erfassen 200 Bilder pro Sekunde. „Aus den aufgenommenen Bilddaten lassen sich 3D-Punktwolken ableiten und daraus die Verformungen bestimmen“, erklärt Simon Nietiedt, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Jade Hochschule.

„Das Ergebnis liefert Daten für die gesamte Fläche der Rotorblätter und ist hochgenau - trotz der hohen Dynamik des Messobjektes.“

Eine Herausforderung bestünde darin, beide Systeme so zu kombinieren, dass alle Daten zeitlich und geometrisch korrekt in einem System abgebildet werden.  

Über das Projekt

Das Forschungsprojekt „TurbuMetric - Optische 3D-Messtechniken zur Erfassung von dynamischen Fluid-Struktur-Interaktionen in turbulenten Windumgebungen“ ist ein Verbundprojekt der Jade Hochschule, der Universität Oldenburg und der Hochschule Emden/Leer. Es wurde in 2018 vom niedersächsischen Wissenschaftsministerium für drei Jahre bewilligt und wird mit einer Summe von rund 1,3 Millionen Euro durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.

Ansprechpartnerin in der Redaktion

  • Katrin Keller
    Katrin Keller

    katrin.keller@jade-hs.de