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Roboter als Trainingsassistenten – ist das machbar?

ForschungsNotizen der "Innovativen Hochschule Jade-Oldenburg!"

Ein Forschungsteam von der Jade Hochschule untersucht, ob der Roboter NAO als Trainingsassistent einsetzbar ist. Foto: Jana Tessmer
Ein Forschungsteam von der Jade Hochschule untersucht, ob der Roboter NAO als Trainingsassistent einsetzbar ist. Foto: Jana Tessmer

Glücklich, wer bis ins hohe Alter eigenständig zuhause leben kann. Um den Wunsch nach einem autonomen Leben im Alter zu erfüllen, müssen einige wesentliche Bedingungen erfüllt sein: Wir brauchen altersgerechten Wohnraum, eine passende Infrastruktur und wir müssen geistig und körperlich fit bleiben. Beweglichkeit ist sehr wichtig, wenn wir so lange wie möglich den eigenen Haushalt führen, einkaufen und unsere sozialen Kontakte pflegen wollen. Unsere Mobilität müssen wir mit regelmäßigen Bewegungsübungen erhalten. Je älter wir werden, umso wichtiger wird das.

Ein besonderer Risikofaktor für unsere Mobilität sind Operationen. Unmittelbar danach – sowie nach längeren Liegephasen – ist die Beweglichkeit eingeschränkt, häufig schwinden die betroffenen Muskeln. Um sie in einer Rehabilitationsphase wiederaufzubauen, brauchen wir Physiotherapie und müssen die Muskeln täglich trainieren.

Nach der Rückkehr nach Hause erschweren zwei Hürden das Training: Zum einen muss man sich zwischen den Physiotherapiesitzungen allein motivieren, die Übungen zu machen. Zum anderen muss man sie aus dem Gedächtnis richtig ausführen. Wer die Bewegungen falsch macht, profitiert weniger davon. Wer mangels Motivation die Übungen zu oft aussetzt, läuft Gefahr, Beweglichkeit und langfristig Lebensqualität einzubüßen.

Roboter NAO als Assistent für Bewegungstraining

Um in Zukunft insbesondere alleinlebende ältere Menschen mit Mobilitätseinschränkungen unterstützen zu können, hat sich eine Arbeitsgruppe um Professor Dr. Frank Wallhoff von der Jade Hochschule unter anderem im Rahmen des europäisch geförderten Projekts „Vitale Regionen“ das Ziel gesetzt, einen computerbasierten Trainingsassistenten zu entwickeln. „Der Assistent soll Menschen motivieren, ihre Bewegungsübungen regelmäßig durchzuführen, um die körperliche Fitness zu erhalten. Er soll die Übungen anleiten und mittels korrigierender Hinweise dabei helfen, dass die Bewegungen richtig ausgeführt werden“, erklärt Jana Tessmer, Mitarbeiterin im Projekt Vitale Regionen.

Sie verantwortet unter anderem die Implementierung des Bewegungstrainings in den Roboter. „Da die meisten Menschen NAO sehr ansprechend finden, haben wir ihn als Schnittstelle ausgesucht“, sagt Tessmer.

Wissenswertes über NAO

NAO ist ein humanoider Roboter (der Firma Softbank Robotics), der für die Interaktion mit Menschen programmierbar ist. Er verfügt über zwei Kameras, mehrere Touch-Sensoren an Kopf, Händen und Füßen, ein Sonar, eine eingebaute Einheit zur Erfassung der eigenen Lage im Raum sowie Mikrofone, Lautsprecher und Spracherkennung. Derzeit wird NAO vorwiegend im Schulunterricht und in der Forschung eingesetzt.

Wie läuft eine Trainingssitzung mit NAO ab?

„Bevor das regelmäßige Training beginnt, wird in den Computer eingegeben, welche Übungen trainiert werden sollen. Dann stellt sich die trainierende Person direkt vor den Roboter in den Sichtbereich der Kamera. Der Roboter macht die Übungen vor. Die Bewegungen der Person werden vom Trainingsassistenten erfasst und NAO gibt einen Hinweis, wenn eine Bewegung anders auszuführen ist“, erklärt Tessmer.

NAO kommuniziert über Sprache. Bei der Entwicklung des Dialogsystems hat das Team berücksichtigt, dass Menschen unterschiedliche Kommunikationsvorlieben haben. Die Ansprache von NAO als Trainingsassistent soll sich individuell anpassen lassen. „Wir entwickeln das Kommunikationssystem des Trainingsassistenten mithilfe vieler Einzelpersonen. Die Nutzer sollen sich mit dem Assistenten wohlfühlen“, sagt Tessmer. „Nur dann lässt er sich ins tägliche Training integrieren und kann positiv als Unterstützung wahrgenommen werden.“

Technologie aus der Spieleindustrie

Damit NAO eine Bewegung wie zum Beispiel eine Kniebeuge aufzeichnet und erkennt, müssen die Patientinnen und Patienten weder Messpunkte anbringen, wie sie aus der 3D-Messtechnik bekannt sind, noch einen Anzug anziehen. Die Kamera, welche die Bewegungen der trainierenden Person erfasst, stammt aus der Spieleindustrie. Sie verfügt über alle technischen Voraussetzungen, um Bewegungsabläufe in der notwendigen Genauigkeit zu dokumentieren. Der Sichtbereich der Kamera beträgt zwischen 1,5 und 7 Metern, sodass sie auch eine gehende Person erfassen kann.

Der Algorithmus analysiert zahlreiche Gelenkpunkte und bewertet, ob die Trainingsübungen richtig ausgeführt werden. Es folgt ein Feedback durch NAO an die trainierende Person. Foto: Jan Paul Vox
Der Algorithmus analysiert zahlreiche Gelenkpunkte und bewertet, ob die Trainingsübungen richtig ausgeführt werden. Es folgt ein Feedback durch NAO an die trainierende Person. Foto: Jan Paul Vox

Kein Roboter ohne Algorithmus

Damit NAO als Trainingsassistent die aufgezeichneten Bewegungen bewerten und bei Bedarf korrigieren kann, hat Jan Paul Vox von der Jade Hochschule im Rahmen seiner Promotion einen Algorithmus entwickelt, der die Bilddaten verarbeitet. „Der Trainingsassistent muss die Bewegungen nicht nur erfassen, sondern spezifische therapeutische Übungen unterscheiden können“, erklärt Vox. „Deshalb erfasst der Algorithmus Beginn und Ende jeder Bewegung und unterteilt sie in zeitliche Segmente. Außerdem ermittelt er, ob die Bewegung gelenkschonend oder gelenkbelastend ausgeführt wurde. Um das möglich zu machen, haben wir mehrere Bewegungsstudien durchgeführt. Der Algorithmus kann eine Vielzahl von Gelenkwinkeln interpretieren.“

Zum Schluss jedes Trainings werden die Bewegungsdaten in Form einer Trainingsstatistik ausgewertet. Sie informiert über die ausgeführten Bewegungen, die Trainingsdauer und einen Belastungswert für die Gelenkbelastung. Bewegt sich die Gelenkbelastung im Lauf der Übungseinheit in nicht kritischen Bereichen, ist dies ein Hinweis auf korrekt und gesund ausgeführte Bewegungsübungen.

Transfer der Technologie in die Arbeitssicherheit

Der Vorteil an Vox‘ Algorithmus ist, dass er – anders als die bisher am Markt vorhandenen – unabhängig von Sensoren und Anwendungen Bewegungen erfasst und bewertet. Er lässt sich daher für unterschiedlichste Zwecke anpassen und in technische Infrastrukturen einbinden. „In unserem Projekt denken wir an zwei Anwendungen des Algorithmus: Zum einen wollen wir ihn für die Bewegungstherapie einsetzen, zum anderen für die Arbeitssicherheit“, sagt Vox. „Der Arbeitsschutz beschäftigt sich ja mit der Frage, wie Arbeitsplätze möglichst gesundheitsschonend konzipiert werden können. Wenn die Arbeitsplatzbedingungen dazu führen, dass dort ausgeführte Bewegungen zu Belastungen oder Erkrankungen führen, muss der Platz verbessert werden. Unser Algorithmus wird in einer Kooperation mit dem Fraunhofer IDMT in Oldenburg im Projekt Ergo VR weiterentwickelt. Das Ziel ist, Bewegungen an Arbeitsplätzen zu bewerten, um gesundheitlich kritische Bewegungsphasen frühzeitig zu identifizieren. Hier geht man sogar noch einen Schritt weiter und untersucht bereits bei der Planung eines Arbeitsplatzes in virtueller Realität, ob die zukünftigen Bewegungsabläufe den Bewertungskriterien für eine gute Körperergonomie entsprechen.“

Werden Roboter demnächst für Bewegungstrainings eingesetzt?

„Von einer flächendeckenden Umsetzung eines Trainingsassistenten, wie wir ihn entwickelt haben, ist unser Gesundheitswesen noch weit entfernt. Unser Ziel war es, einen Prototyp zu entwickeln. Es war eine Machbarkeitsstudie. Wir haben auch zusammen mit den Studierenden des Studiengangs Assistive Technologien der Jade Hochschule geprüft, was technologisch und im Kommunikationsdesign wichtig ist, um einen einsatzfähigen computerbasierten Trainingsassistenten herzustellen, der für Patienten in Reha-Phasen einsetzbar wäre“, sagt Wallhoff. „Bei der Präsentation des Prototyps vor Physiotherapeuten und Vertretern anderer medizinischer Berufe haben wir durchaus positive Resonanz erhalten.“

Wie geht es weiter?

„Als nächstes möchten wir den Algorithmus in den Roboter Pepper von SoftBank Robotics implementieren“, sagt Wallhoff. „Pepper hat den Vorteil, dass er Mimik und Gestik, also Emotionen von Menschen bereits verarbeiten und interpretieren kann. Wir rechnen damit, dass sich anhand dessen unser Kommunikationsdesign weiterentwickeln lässt.“

Im nächsten Forschungsschritt will das Team den Roboter Pepper (hinten links) als Trainingsassistenten testen. Foto: Jana Tessmer
Im nächsten Forschungsschritt will das Team den Roboter Pepper (hinten links) als Trainingsassistenten testen. Foto: Jana Tessmer

Über das Forschungsteam

Professor Dr.-Ing. Frank Wallhoff ist am Fachbereich Bauwesen Geoinformation Gesundheitstechnologie der Jade Hochschule tätig und gehört unter anderem dem Institut für Hörtechnik und Audiologie sowie dem Institut für Technische Assistenzsysteme der Jade Hochschule an. Außerdem leitet er das Transferzentrum für anwenderorientierte Assistenzsysteme des Fraunhofer Instituts für Digitale Medientechnologie in Oldenburg. Jana Tessmer ist Sozialwissenschaftlerin (M.A.) und als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt Vitale Regionen tätig. Jan Paul Vox (M.Sc. Wirtschaftsinformatik) promoviert im Rahmen des Promotionsprogramms Jade2Pro.

Über die Innovative Hochschule Jade-Oldenburg!

Die Innovative Hochschule Jade-Oldenburg! wurde als Transferprojekt der Universität Oldenburg, der Jade Hochschule und des Informatikinstituts OFFIS, An-Institut der Universität, im Projektzeitraum 2018 bis 2022 mit rund elf Millionen Euro durch die Bund-Länder-Initiative „Innovative Hochschule“ gefördert.

Das Projekt hat innovative Ideen, Hochschulwissen und neue Technologien in die Zielregion getragen und den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gegeben, Wissenschaft aktiv mitzuerleben. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autor_innen.
 

Ein Beitrag von:

  • Yukie Yasui
    Yukie Yasui

    yukie.yasui@jade-hs.de