| Präsidialbüro

Eintauchen in die Geschichte des Globe-Kinos in Donnerschwee

ForschungsNotizen der "Innovativen Hochschule Jade-Oldenburg!"

Foto: Karin Badekow
Foto: Karin Badekow

Eintauchen in die Geschichte des Globe-Kinos in Donnerschwee – Zeitzeugen gesucht

1954 errichtete die britische Armee das Truppenkino „Globe“ auf dem Oldenburger Gelände der „Kaserne Donnerschwee“. Das Kino gilt als bundesweit einmalig, steht unter Denkmalschutz und fügt sich heute harmonisch in das neu gestaltete Stadtviertel mit sanierten Militärgebäuden und Neubauten ein.

Die im Jahr 2017 gegründete GLOBE Kultur Genossenschaft e.G. hat das Gebäude des Globe Kinos und Filmtheaters mithilfe von Spenden erworben und setzt sich für seine Sanierung ein. Nachdem es bis 1993 von der Bundeswehr als Kino betrieben wurde, soll es künftig als Kino und Kulturzentrum für Bürgerinnen und Bürger dienen. Dr. John Goodyear – tätig an der Jade Hochschule und an der University of Birmingham – rekonstruiert in einem Forschungsprojekt die Geschichte des Globe.

Der opulente Saal des Globe Kinos eignet sich für 400 Gäste. Foto: Frauke Engelmann
Der opulente Saal des Globe Kinos eignet sich für 400 Gäste. Foto: Frauke Engelmann

Von außen gleicht das Filmtheater in Donnerschwee den rund 25 anderen Globe-Kinos, welche die Briten im Nachkriegsdeutschland auf Kasernengeländen errichteten: Es ist einfach und funktional gebaut. Mit seinem opulenten Innenleben ist das Oldenburger Globe jedoch eine Ausnahme. Nach dem Staatstheater bietet das Gebäude den aufwändigsten Theatersaal der Stadt. Rund 400 hochwertige in Großbritannien gefertigte Holzstühle passen in den vertäfelten Raum. Vor einer 100 Quadratmeter großen Bühne befindet sich ein Orchestergraben. Die Ausstattung legt nahe, dass nicht nur Filmvorführungen, sondern auch Theater, Ballett und weitere Veranstaltungen möglich sein sollten. So ist das Globe in Donnerschwee auch Zeugnis der besonderen Bedeutung, welche die Briten dem Stützpunkt Oldenburg im britisch besetzten Nordwesten Deutschlands beimaßen.

Die 1950er – eine „vergessene Zeit“

Was prägte Oldenburg in den 1950er Jahren? Welche Rolle spielte die britische Besatzung für Oldenburg? Goodyear will mehr als die Geschichte des Globe erforschen: „Die Geschichte des Globe ist untrennbar mit der gesamten britischen Besatzungsgeschichte Oldenburgs verbunden. Auch das damalige Weltgeschehen hatte Einfluss auf die Geschehnisse in der Stadt. Um die Bedeutung des Filmtheaters zu verstehen, müssen wir uns mit den Zusammenhängen beschäftigen.“

„Die 50er Jahre gelten kulturhistorisch als vergessene Zeit“, erklärt Goodyear. „Historiker haben sich mehr mit den beiden Weltkriegen und dem späteren Verlauf des Kalten Krieges beschäftigt als mit den kurzen Jahren der Nachkriegszeit, in der das kulturelle und gemeinschaftliche Leben in Deutschland mithilfe der Besatzungsmächte wiederaufgebaut wurde. Genau diese Zeit ist spannend, wenn wir das Globe betrachten. Wir können unglaublich viel über Oldenburg und die deutsch-britischen Beziehungen lernen, wenn wir uns diese Zeit in Erinnerung rufen.“

Queen’s Parade auf der Kaserne Donnerschwee Foto: Nutzungsrechte übertragen durch John Goodyear
Queen’s Parade auf der Kaserne Donnerschwee Foto: Nutzungsrechte übertragen durch John Goodyear

Oldenburg unter britischer Besatzung

Nach Kriegsende war die Stadt zunächst relativ kampflos an die Erste Kanadische Armee übergeben worden. Diese beschlagnahmte einige der öffentlichen Gebäude und übergab die Stadt Monate später an die Zweite Britische Armee. Ganz Nordwestdeutschland gehörte damals zur britischen Besatzungszone. Der kanadische Oberbefehlshaber General Crerar hatte die Mission begonnen, Frieden und ein gemeinschaftliches Leben in Oldenburg wiederherzustellen. Die Briten zogen in die im Westen Oldenburgs gelegene „Kaserne Donnerschwee“ ein und nannten sie „Crerar Barracks“. Die britische Marine (Royal Navy) nutzte Wilhelmshaven als Stützpunkt, die britische Luftwaffe (Royal Air Force) den so genannten Fliegerhorst – den ans Ammerland grenzenden Militärflugplatz im Norden der Stadt. Mitte 1956 begann die Britische Armee ihren Rückzug. Im Februar 1958 verließen die letzten Truppen die Stadt.

Lange vor Kriegsende hatten die Briten Oldenburg als Zielstützpunkt für die Zeit nach dem Krieg ausgewählt. Die Stadt war und blieb bis Kriegsende wenig zerstört, kurz vor Kriegsende sahen die Briten aufgrund ihrer Pläne bewusst von Bombardierungen auf Oldenburg ab.

Herausforderungen für die Britische Armee

Die Stadt, die 1940 noch rund 80.000 Einwohnerinnen und Einwohner gezählt hatte, nahm nach Kriegsende binnen kürzester Zeit 40.000 Flüchtlinge auf. Dieses rasche Wachstum in der ohnehin belastenden Nachkriegszeit bedeutete Unsicherheit und enormes Konfliktpotenzial in der Bevölkerung. Die britischen Soldaten hatten die Aufgabe, die Situation mit demokratischen Mitteln zu entschärfen und langfristig ein friedliches Leben in der Stadt zu ermöglichen. Keine einfache Aufgabe für die meist jungen Männer.

Bill Maybury Foto: Nutzungsrechte übertragen durch John Goodyear
Bill Maybury Foto: Nutzungsrechte übertragen durch John Goodyear
John Holder Foto: Nutzungsrechte übertragen durch John Goodyear
John Holder Foto: Nutzungsrechte übertragen durch John Goodyear
Ron Humphreys Foto: Nutzungsrechte übertragen durch John Goodyear
Ron Humphreys Foto: Nutzungsrechte übertragen durch John Goodyear
Erinnerungsstücke des ehemaligen Soldaten Andrew MacTavish, darunter das Globe Kinoprogramm Foto: Nutzungsrechte übertragen durch John Goodyear
Erinnerungsstücke des ehemaligen Soldaten Andrew MacTavish, darunter das Globe Kinoprogramm Foto: Nutzungsrechte übertragen durch John Goodyear

Einflüsse durch das Weltgeschehen

Während der 1950er Jahre nahmen Ereignisse des Weltgeschehens ihren Lauf, die auch für Oldenburg bedeutsam wurden, nicht zuletzt weil sie für Unsicherheit unter den britischen Soldaten sorgten:

Im Herbst 1956 entbrannte der „Ungarische Volksaufstand“. Bürgerinnen und Bürger Ungarns protestierten gegen die repressive Politik der kommunistischen Partei und gegen die sowjetische Besatzung. Der Konflikt endete in einer blutigen Niederschlagung der Ungarn durch die sowjetische Armee. Die sowjetischen Besatzer verurteilten den ungarischen Präsidenten Imre Nagy – der die Unabhängigkeit Ungarns voranzutreiben suchte – und neben ihm mehrere hundert Aufständische zum Tode und nahmen tausende Gefangene. Aus Entsetzen über die Auseinandersetzungen demonstrierten nach Angaben des Zeitzeugen Andrew Mactavish Oldenburger Bürgerinnen und Bürger vor den Toren der Kaserne Donnerschwee und forderten die britischen Besatzer auf, Ungarn gegen die Sowjets zu Hilfe zu eilen.

Die Furcht britischer in Donnerschwee stationierter Soldaten vor einem Kriegseinsatz richtete sich jedoch auf andere Regionen.

Zunächst war dies Korea: Seit dem Zweiten Weltkrieg war das Land in eine sowjetische und eine US-amerikanische Besatzungszone geteilt. Nachdem im Juni 1950 die Nordkoreanische Volksarmee die Grenze zu Südkorea überschritten hatte, schaltete sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) ein. Hier hatten die USA eine Resolution durchgesetzt die dazu führte, dass 16 Mitgliedsstaaten der UN unter US-amerikanischer Leitung am Korea-Krieg teilnahmen. Großbritannien schickte rund 100.000 Soldaten.

Wenige Jahre später – am 26. Juli 1956 – brachte der Putschist und ägyptische Staatspräsident Gamal Abdel Nasser den Suezkanal unter staatliche Kontrolle. Die europäischen Mächte – vorwiegend Großbritannien und Frankreich – verloren damit ihre wirtschaftlich wichtigste Verbindung nach Asien und verbündeten sich mit Israel. Es folgte ein Blitzkrieg Israels gegen Ägypten, in dessen Zuge sich zunächst Großbritannien und Frankreich, und danach die USA und die Sowjetunion einmischten. Während der Suez-Krise mussten die britischen Soldaten in Oldenburg erneut fürchten, aus einer friedlichen deutschen Besatzungszone an eine Front zu ziehen – diesmal in den Nahen Osten.

Über die Nachrichtensendung „Pathé News“, die im alten Globe Kino in der Bremer Straße vor den Filmvorführungen gezeigt wurden, erfuhren die Soldaten von eventuell bevorstehenden Kriegseinsätzen im Ausland.

Das britische Erbe: „Home (away) from home“ und Shakespeare als Pate für das Globe Kino

Begleitet von diesen geopolitischen Herausforderungen ging der Aufbau eines friedlichen gesellschaftlichen Lebens in Oldenburg unter britischer Aufsicht voran. Eine Besonderheit prägte damals die Stadt, die heute nicht mehr offensichtlich ist: Im Zuge ihrer Kolonialgeschichte hatten die Briten die Tradition entwickelt, für gesandte Briten, auch Soldaten, eine Infrastruktur zu errichteten, die eine übergangslose Fortführung des britischen kulturellen Lebens in der Fremde ermöglichten.

In Oldenburg zogen daher Institutionen ein, die das Leben der britischen Militärs bestimmen sollten: Der YMCA (Young Men’s Christian Association) siedelte sich an, ein aufwändiges Teehaus wurde gebaut. Der Women’s Royal Voluntary Service (WRVS) fand seinen Platz und sorgte dafür, dass Soldaten und andere Mitglieder der Besatzungsmacht in ihrer Freizeit zu Tee, Kaffee und Kuchen eingeladen wurden. Die öffentlichen Gebäude der Stadt erhielten zusätzliche englische Namen, das Staatstheater beispielsweise hieß unter Briten „Radio City Music Hall“. Das Globe Kino in Donnerschwee wurde errichtet und nach dem „Shakespeare Theatre Globe“ in London benannt. Für die britischen Männer sollte es ein „Leben wie zuhause fern von zuhause“ (Home away from home) sein.

Ein Truppenkino für britische Identität, Kultur und Notfallmanagement

Die meisten der in Oldenburg stationierten britischen Soldaten waren erst 18 oder 19 Jahre alt und leisteten ihren anderthalb Jahre dauernden Wehrdienst ab.

„Die jungen Männer waren in jeglicher Hinsicht unerfahren und sollten städtisches Leben in einem fremden Land regeln, das gerade einen Krieg verloren hatte“, sagt Goodyear. „Mit seinen Filmvorführungen sollte das Globe zum einen für Stabilität und Moral sorgen. Sicher ging es auch um britische Kultur und ein ‚britisches Bewusstsein‘ in der Fremde.“ Außerdem berichtet Goodyear, dass dem Gebäude des Globe kulturell wie militärisch eine zentrale Rolle zukam. Hinweise sprechen dafür, dass es für Informationsveranstaltungen sowie Notfallversammlungen vorgesehen war, beispielsweise für den Fall einer geregelten Evakuierung der britischen Armee.

Zeitzeugen gesucht

Mithilfe von Presseaufrufen hat Goodyear vor allem in seiner britischen Heimat 25 Zeitzeuginnen und -zeugen gefunden, die in den 50er Jahren auf der ehemaligen Kaserne Donnerschwee lebten und arbeiteten. Die meisten von ihnen sind männlich und waren als sehr junge Soldaten im Wehrdienst in der Britischen Armee. Zehn Gespräche hat Goodyear bereits geführt und so begonnen, das Leben zur Blütezeit des Globe zu rekonstruieren. Noch in diesem Jahr spricht der Historiker mit weiteren Zeitzeugen. Außerdem hat er verschollene Dokumente und Programmhefte des Globe aufgespürt. Die Geschichte des Globe – eng verwoben mit kulturhistorischen Aspekten der britischen Besatzung Oldenburgs – will Goodyear schließlich in einem Buch zusammenführen.

„Mein Großvater war in den 50ern auch Soldat, in Großbritannien. Die Menschen, die sich an das damalige Oldenburg und das Globe erinnern, sind heute 80 oder 85 Jahre alt. Sie werden nicht mehr allzu lange unter uns sein. Ich möchte ihre Geschichten und Erinnerungen festhalten“, erklärt Goodyear seine Motivation. Daher sucht er weiterhin Zeitzeugen, die vom Globe und der britischen Besatzungszeit Oldenburgs berichten können. „Viele Fragen sind noch offen, etwa, ob im Globe trotz des in Deutschland existierenden Rauchverbots geraucht wurde, oder welche Filme auf dem Programm standen und wer außer den britischen Soldaten Zugang zum Kino hatte. Über diese Details erhalten wir mehr Aufschluss über die Kultur von damals“, schließt Goodyear ab.

Kontakt: Dr. John Goodyear, BSc, MA, PhD Gastdozent und -wissenschaftler an der Jade Hochschule 0441/7708-3472 john.goodyear@jade-hs.de
Kontakt: Dr. John Goodyear, BSc, MA, PhD Gastdozent und -wissenschaftler an der Jade Hochschule 0441/7708-3472 john.goodyear@jade-hs.de

Über die Innovative Hochschule Jade-Oldenburg!

Die Innovative Hochschule Jade-Oldenburg! wurde als Transferprojekt der Universität Oldenburg, der Jade Hochschule und des Informatikinstituts OFFIS, An-Institut der Universität, im Projektzeitraum 2018 bis 2022 mit rund elf Millionen Euro durch die Bund-Länder-Initiative „Innovative Hochschule“ gefördert.

Das Projekt hat innovative Ideen, Hochschulwissen und neue Technologien in die Zielregion getragen und den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gegeben, Wissenschaft aktiv mitzuerleben. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autor_innen.
 

Ein Beitrag von:

  • Yukie Yasui
    Yukie Yasui

    yukie.yasui@jade-hs.de