„Digitales Steinmeißeln“: Suche nach der optimalen Form von kleinsten Systemen

Jade Hochschule und Karlsruher Institut für Technologie starten dreijähriges Forschungsprojekt zur Topologieoptimierung miniaturisierter multiresonanter Systeme

Verschiedene Computer-generierte Entwürfe eines miniaturisierten piezoelektrischen Energiewandlers. (Jade HS)
Verschiedene Computer-generierte Entwürfe eines miniaturisierten piezoelektrischen Energiewandlers. (Jade HS)

Wie die Form von kleinsten, vibrierenden Systemen so verbessert werden kann, dass sie unter gegebenen Bedingungen optimal funktionieren, ist Thema eines gemeinsamen Forschungsprojektes von der Jade Hochschule und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Die gute Klangqualität einer Stradivari-Geige leitet sich von ihrer Form und den verwendeten Materialen des Klangkörpers ab“, erklärt Prof. Dr. Jan Gerrit Korvink vom KIT. „Stellen Sie sich vor, man könnte aus dem Klang einer Geige auf ihre Form und Materialzusammensetzung schließen.“ In dem Forschungsprojekt „Topologieoptimierung miniaturisierter multiresonanter Systeme beschleunigt durch Modellordnungsreduzierung“ möchte Korvink gemeinsam mit Prof. Dr. Tamara Bechtold von der Jade Hochschule das zu Grunde liegende numerische Problem untersuchen – anwendbar nicht nur auf Musikinstrumente, sondern vielmehr auf alle vibrierenden Systeme, insbesondere Mikrosysteme.

„Digitales Steinmeißeln“ um die optimale Form zu finden

Gegenstand des Forschungsprojektes an der Jade Hochschule sind miniaturisierte piezoelektrische Energiewandler – Mikrosysteme, die Vibrationsenergie in elektrische Energie umwandeln können. Sie könnten beispielsweise in einer Fertigungshalle auf einer Maschine angebracht werden und die Energie, die durch die Vibration der Maschine entsteht, in elektrische Energie umwandeln und damit Batterien überflüssig machen. Die Herausforderung: Maschinen vibrieren nicht immer gleichmäßig. „Ändert sich beispielsweise die Umgebungstemperatur, hat das Einfluss auf die Vibration“, sagt Bechtold. Gesucht wird eine Form des Energiewandlers, die zuverlässig bei unterschiedlichen Bedingungen funktioniert. Diese optimale Form wird mathematisch erfasst und mittels sukzessiven Computersimulationen angestrebt.

„Ein Bildhauer hat zuerst einen Steinblock vor sich und trägt so lange mit seinem Werkzeug etwas von dem Stein ab, bis eine perfekte Skulptur entsteht. Etwas Ähnliches, sozusagen ein „digitales Steinmeißeln“ haben wir vor.“

Ausgehend von einem Materialblock wird die Form des Energiewandlers nach und nach im Computer verändert und neu berechnet. In kurzer Zeit möglichst viele Simulationen durchführen zu können, ist ein weiterer Schwerpunkt des Forschungsprojektes. Durch neuartige mathematische Verfahren der Modellordnungsreduktion kann solche Topologieoptimierung am Computer bei annähernd gleichbleibender Genauigkeit 100fach beschleunigt werden.

Prof. Dr. Tamara Bechtolds Forschungsschwerpunkte an der Jade Hochschule liegen in der Modellierung und Simulation von Mikrosystemen. (Foto: privat)
Prof. Dr. Tamara Bechtolds Forschungsschwerpunkte an der Jade Hochschule liegen in der Modellierung und Simulation von Mikrosystemen. (Foto: privat)
Prof. Dr. Jan Gerrit Korvink (Foto: privat)
Prof. Dr. Jan Gerrit Korvink (Foto: privat)

Mikromagnetische Resonanz

Am KIT wird eine andere Art der Energiewandlung in Betracht gezogen. Dabei wird durch die fortschreitende Magnetisierung eines Patienten während eines MRT-Scans oder einer chemischen Probe während der Kernspinresonanzspektroskopie ein winziger Wechselstrom in einem Sensorresonator erzeugt. „Es ist fast unmöglich, einen Sensorentwurf zu erfinden, der alle Anforderungen der Messung vollständig erfüllt“, sagt Korvink. Sein Ziel ist es, den mathematischen Ansatz des Projektes zu nutzen, um solche optimale Entwürfe effizient und automatisch zu erhalten.

Gute Zusammenarbeit von Spezialisten in angewandter Mathematik und praxisrelevanter Anwendung

Das Forschungsprojekt „Topologieoptimierung miniaturisierter multiresonanter Systeme beschleunigt durch Modellordnungsreduzierung“ wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) über drei Jahre gefördert. „Die Publikationslage beider Antragsteller zeigt zusätzlich zum Antrag die starke Vernetzung der beteiligten Institutionen, so dass von einer guten Zusammenarbeit von Spezialisten ausgegangen werden kann“, so die Gutachter der DFG. Es sei bemerkenswert, dass sich beide Antragsteller seit mehr als 15 Jahren mit diesen Themen beschäftigen und somit stetig für kompetenten Nachwuchs auf dem komplexen Gebiet zwischen angewandte Mathematik und praxisrelevanter Applikationen sorgen.

Ansprechpartnerin in der Redaktion

  • Katrin Keller
    Katrin Keller

    katrin.keller@jade-hs.de